Peru hat uns zwischenzeitlich völlig vereinnahmt. Insbesondere unsere Trekkingtour im Colca Canyon, war eine ganz besondere Erfahrung. Der zweittiefste Canyon der Welt hatte sich als echtes Wanderparadies mit heimelichen Bergdörfern und charmanten Dorfbewohnern herausgestellt. Das Beste jedoch: (noch) ist er weitgehend von Touristenströmen verschont. Ganz anders hingegen Cusco, wo wir einige Tage verbrachten, um von dort aus immer wieder auf Wanderschaft zu gehen und das Umland zu erkunden.
Willkommen in der Touristen-Metropole Perus
Die ehemalige Inkahauptstadt mit ihren zweifellos eindrucksvollen Kirchengebäuden, der gepflasterten Fußgängerzone Hatun Rumiyoc, die als eine der besterhaltenen alten Inka-Straßen in Cusco gilt oder auch dem malerischen Künstlerviertel San Blas hat sich als Touristen-Metropole des Landes herausgestellt.
Kein Wunder, ist Cusco doch für viele Ausgangspunkt um über Aguas Calientes zum touristischen Hot-Spot Nummer eins in Peru zu gelangen: den Machu Picchu. Entsprechend sind die Straßen voll mit Touranbietern, Souvenirläden, Outdoorgeschäften, Restaurants und Bars, die sich voll und ganz auf die Bedürfnisse der Reisenden eingestellt haben.
An dem immer wieder als „schönste Stadt in Peru“ propagierten Ort – und ja, er ist wirklich toll – lässt der Tourismus unserem persönlichem Gefühl nach jedoch relativ wenig Raum für Authentizität. Inszenierung wird hier großgeschrieben und das riesige „Inti Raymi – The Inca Festival of the Sun“ war das beste Beispiel dafür.
In der „schönsten Stadt“ Perus blüht der Tourismus.
Die Feierlichkeiten waren vor allem aber auch ein wunderbares Beispiel für die zwei Gesichter Cuscos – das touristische und das traditionelle – wie die folgende kleine Geschichte zeigt. Eine Geschichte über ein Ereignis „am Rande“ eines relativ pompösen Treibens. Eine Geschichte, die nicht von den großen „WOWs“, sondern eher von den kleinen „AHs“ lebt. Von kleinsten Augenblicken und Gefühlen, die im Grunde nur schwer vermittelt, geschweige denn in Bildern einfangen werden können. Daher hatten wir auch lange überlegt, ob wir dieses Erlebnis unseres „Abenteuer 100 Tage Südamerika“ überhaupt teilen sollten, uns dann aber entschlossen, es zu versuchen.
Reise zurück in die Inka-Zeit Perus
Zufällig befanden wir uns just an dem Tag in der Stadt, als sich ganz Cusco aufmachte, um dem wohl wichtigsten traditionellen Fest während der Inka-Zeit zu gedenken.
„Inti Raymi – The Inca Festival of the Sun“
Inti Raymi ist eine uralte religiöse Inka-Zeremonie und das größte, spektakulärste traditionelle Fest in den Anden. Das Fest ist dem Gott Inti (Quechua für „Sonne“) gewidmet und findet jedes Jahr während der Wintersonnenwende am 24. Juni statt, dem kürzesten Tag des Jahres für die südlich des Äquators lebenden Inka.
Der erste Inti Raymi wurde Überlieferungen zufolge 1412 veranstaltet, 1535 jedoch durch spanische Eroberer und die katholische Kirche verboten. Erst 1944 wurde das Fest wieder zum Leben erweckt, um der Kultur der Inkas und der Identität der Quechua zu gedenken.
In jüngerer Zeit entwickelte sich das „Sonnenfest“ immer mehr zum Touristenmagnet in Cusco.
Während der Planungen unseres „Abenteuer 100 Tage Südamerika“, hatten wir bereits über „Inti Raymi“ gelesen, angesichts der Ticketpreise für das Festival – je nach Leistungen zwischen 50 und 245 US-Dollar – unsere Teilnahme jedoch schnell verworfen. Sicher interessant, aber bei dieser Preisklasse dürfte sich die Anwesenheit der einfacheren Bevölkerung doch in Grenzen halten und wir befürchteten einer vor allem für Touristen arrangierte Veranstaltung beizuwohnen. Eine Einschätzung, die sich als gar nicht so falsch herausstellte und eine für uns richtige Entscheidung – denn die „wahre“ Feier fand ganz wo anders statt.
Glanzvolle Eröffnungszeremonie
Der Tag startete am Plaza de Armas. Tausende Besucher trafen sich hier im Herzen Cuscos, um der wirklich sehenswerten Eröffnungszeremonie beizuwohnen. Verschiedenste Gruppen mit eindrucksvollen Trachten bekleidet umrundeten hierbei immer wieder den Platz und ließen mit ihren Tänzen und Gesängen für einen Moment lang einen Hauch der uralten Inka-Kultur und Tradition aufleben.
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Doch bald schon, es war erst früher Vormittag, war der öffentliche Teil der kulturellen Inszenierung dann auch schon wieder vorüber. Nun trennten sich die Wege der Besucher und führten in zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Die zwei Gesichter eines feiernden Cusco
Auf der einen Seite sah man die Gruppe an Besuchern, die ganz offensichtlich zu einem großen Teil aus Touristen bestand: Sukzessive stiegen die meisten in Taxis und in von Travelagenturen bereitgestellten Busse ein, um sich zu den rund drei Kilometer entfernten Ruinen der Inka-Festung Sacsayhuamán fahren zu lassen. In der Arena dieses historischen Platzes erwartete sie dann ein spektakuläres kulturelles Schauspiel mit glanzvollen Einblicken in uralte Traditionen.
Den anderen Teil der Besucher, bei denen es sich unverkennbar zum großen Teil um die heimische, indigene Bevölkerung handelte, zog es hingegen etwas mühseliger die Treppen der engen Gassen Cuscos hinauf. Neugierig folgten wir dem Strom. Wohin er uns wohl führen wird?
Nach rund 30 Minuten standen wir vor der Antwort oder besser gesagt auf einer Anhöhe. Unter uns befand sich ein riesiges Areal – ganz in Sichtweite der Inka-Festung, aber dennoch gefühlt meilenweit entfernt. Hier, wo gerade Menschen aus allen Himmelsrichtungen hinströmten, war kein Hauch von Glanz und Glamour mehr zu spüren. Dafür aber im positivsten Sinne „Leben“ …
Von einer großen ackerähnlichen Fläche stieg beißender Rauch auf, daneben ein Gelände mit Pferden, überall verteilt unzählige Straßenstände und Buden, ganz hinten am Horizont viele bunte Sonnenschirme und – soweit aus der Ferne erkennbar – kirmesähnliche Bauten. Dazwischen vor allem eines: massenweise Menschen. Unmengen. Es müssen gut 200.000 sein, die sich bereits versammelt hatten. Es war trubelig. Stimmengewirr, Lachen, Musik drang zu uns hoch. Keine Frage: Das Geschehen mussten wir uns aus der Nähe ansehen …
Zu Besuch auf einem riesigen Familienpicknick
Als wir unten ankamen und zwischen all den Menschen standen, wirkte alles wie ein riesiges Familienpicknick auf uns. Hier feierten diejenigen „Inti Raymi“, aus deren Kultur das Fest einst entsprungen ist, erklärte man uns. Und dieses Feiern verlief unglaublich friedlich. Kein Geschubse, kein Anpöbeln, vielmehr ein fließendes Miteinander. Wir spürten regelrecht, dass es allen nur darum ging, die Zeit zusammen zu genießen, sich ein wenig auf alte Traditionen zu besinnen und einen Tag lang den Alltag hinter sich zu lassen: bei Gesprächen und beim Spielen mit schlichtesten Mitteln, ohne HighTech und fliegenden Untertassen, dafür aber mit ungeheuer viel Freude.
Spielerisches Miteinander: Peruaner beim Volksfest
Selbstverständlich war aber auch für das leibliche Wohl gesorgt. Von Suppen direkt aus dem Kochtopf, Fleischgerichten aus der (Riesen-)Pfanne, Fisch oder Spieße vom Grill bis hin zu „Chevice to go“ reichte das Angebot. Jeder der Lust dazu hatte, seine Kochkünste unter Beweis zu stellen oder für den Getränkenachschub zu sorgen, bot hier gut gelaunt etwas an – gegen Geld, im Tausch oder auch einfach nur geschenkt. Das Ergebnis war ein bunter Mix an Gerichten, mit einfachsten Zutaten und Mitteln zubereitet und dennoch oder gerade deshalb etwas ganz Besonderes.
Essen und Feiern auf dem Sonnenfest
Etwas ganz Besonderes war aber auch die Offenheit, mit der man uns – den Fremden, den „Gringos“ – begegnete. Gleichgültig, wo wir uns bewegten, was wir uns ansahen, was uns interessierte: Sofort sprach uns jemand an, klärte uns über alles was auf dem riesigen Areal vor sich ging auf und beantwortete selbst unausgesprochene Fragen. Es war trotz der ein oder anderen sprachlichen Barriere (wobei die meisten der jüngeren Peruaner auch Englisch sprechen) unglaublich leicht, in Kontakt zu kommen und sogar für eine kleine Weile in die Welt der Feiernden – soweit dies in der Kürze der Zeit überhaupt möglich war – mit einzutauchen und dabei viel Interessantes zu erfahren.
Von Cuy bis Zuckerrohrsaft: Blick in die peruanische Küche
So haben wir zum Beispiel in einem kleinen „Workshop“ gelernt, wie Papas – peruanisch für Kartoffeln – in Erdlöchern gekocht werden.
Kartoffeln: Zubereitung wie in der Inka-Zeit
Man zeigte uns aber auch die unterschiedlichen Zubereitungsarten des traditionellen Fleischgerichts der peruanischen Küche – Meerschweinchen oder auch „Cuy“ genannt – oder lud uns zu einer Runde frisch ausgepressten Zuckerrohrsafts ein, natürlich nicht ohne uns dabei über die unglaublichen Heilkräfte des süßen Getränkes aufzuklären.
Ja, man hat uns hier ohne jegliche Berührungsängste und ohne jeglichen Argwohn empfangen, immer wieder „an gedeckte Tische“ geladen und wollte mehr wissen über uns: woher wir kommen, was wir tun, wie uns Peru gefällt.
Cuy: typische Speise in der Andenregion
Wir waren fasziniert von dieser ehrlich gemeinten, authentischen Gastfreundschaft, die uns an jeder Ecke begegnete und ihren Höhepunkt sicher bei der spontanen Einladung zu einer Geburtstagsfeier fand.
Feliz cumpleaños – kleine Geburtstagsfeier am Rande
Kuchen, Käse, Brot, Coca Cola aus dem Plastikbecher, ein lautes herzliches Geburtstagsständchen – eine kleine Gesangsprobe haben wir aufgezeichnet – und wir wie selbstverständlich mittendrin. Zwei von lediglich einer Handvoll Touristen, die den Weg hierher gefunden hatten…
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Von Minute zu Minute gesellten sich weitere Gratulanten hinzu, bis schließlich eine gut 40 Personen umfassende „Großfamilie“ zusammensaß und wir vom Großvater bis zum Urenkel die Familienmitglieder kennenlernten.
Der Nachmittag verging wie im Fluge und immer wieder dachten wir kurz darüber nach, die „wachsende“ illustre Runde in weiteren Bildern festzuhalten. Es wären wirklich tolle Motive gewesen. Doch wir ließen das iPhone in der Tasche stecken. Diese Zeit des Beisammenseins war von einer so seltsamen Vertrautheit geprägt, dass es keinen Platz mehr für das Fotografieren gab. Es hätte die Situation entzaubert und berechnend gemacht – Oder um es mit Sean Penn in „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ auf die Frage „Wann drückst Du auf den Auslöser?“, zu sagen:
„Manchmal gar nicht. Wenn mir ein Moment gefällt, ich meine, mir… persönlich, dann will ich nicht, dass mich die Kamera irgendwie ablenkt. Dann will ich einfach nur… darin verweilen.“
Manche Momente im Leben hält man nur mit dem Herzen fest.
Irgendwann am frühen Abend – es ist kalt geworden und die meisten Festgäste haben bereits ihre Sachen gepackt – verließen wir zusammen mit vielen anderen den Hügel, um wieder über die engen Gassen hinunter nach Cusco zu laufen.
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Als wir an den letzten Ständen vorbei liefen und uns nochmals kurz umsahen, taten wir dies mit dem guten Gefühl, auf dem „richtigen“ Fest gewesen zu sein…
Das Ende eines phantastischen Tages
Langsam zieht die Nacht über Cusco herein und der Plaza de Armas leert sich. Es wird spürbar ruhiger auf dem Platz, in den Straßen und Gassen. Am Fuße der Kathedrale lassen wir uns einen kleinen Moment nieder und die Atmosphäre auf uns wirken. Jetzt, im Dunkeln und dem Lichterschein können wir ein bisschen besser als bislang verstehen, was damit gemeint ist, wenn man von Cusco als die schönste Stadt Perus spricht.
Doch wenn am nächsten Tag die Sonne aufgehen würde und wieder Tausende von Touristen durch die Gassen strömten, wollten wir nicht mehr Teil der Massen sein, die sich hier tummeln. Unser „Abenteuer 100 Tage Südamerika“ sollte sich in den nächsten Wochen an anderen Schauplätzen abspielen. Dazu aber mehr im nächsten Teil unseres „Abenteuer 100 Tage Südamerika“, in dem wir über unsere persönlichen Highlights berichten, über Highlights, die Peru auch abseits von Machu Picchu & Co zu bieten hat.
>> Und so geht es weiter: Abenteuer 100 Tage Südamerika Teil 10 . Perus landschaftlicher Reichtum
>> Was bisher geschah: Abenteuer 100 Tage Südamerika . Teil 8 . Auf Wanderschaft in Peru