Camino del Norte Etappe 6: Irgendwo im Nirgendwo an der Costa da Morte

Mit der sechsten Camino del Norte Etappe geht unser „Abenteuer spanische Nordküste“ Richtung Endspurt. Sieben Wochen sind wir nun bereits unterwegs und haben mehr als 1.000 Kilometer zurückgelegt. Wir haben viel gesehen und gelernt. Vor allem aber sind wir jeden Tag immer wieder aufs Neue fasziniert, welche phantastische Umgebung der Norden Spaniens nicht nur für Pilger auf dem Jakobsweg, sondern für alle Wanderfreunde, Backpacker und Naturliebhaber zu bieten hat.

Dies gilt auch – und ganz besonders – für die rund 95 Kilometer lange Strecke zwischen Corme und Muxia entlang der Costa da Morte, die wir allen Interessierten in diesem sechsten Teil unserer Serie „Abenteuer Camino del Norte“ vorstellen.

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Unterwegs an der Costa da Morte

Eine Strecke, die prachtvolle Natur bietet, aber vor allem auch durch Einsamkeit gekennzeichnet ist. Nur selten führt der Weg durch Dörfer und dort, wo man an ein paar Häusern vorbei wandert, sieht man meist keine Menschenseele.

Die Costa da Morte erscheint wortwörtlich wie ausgestorben.

Irgendwie erscheint dieser Landstrich in Galicien tatsächlich ein wenig wie ausgestorben und doch fühlt man sich hier unglaublich lebendig. Vielleicht mag dies vor allem auch daran liegen, dass diese Etappe Körper und Geist in besonderem Maße ständig fordert und unsere ungeteilte Aufmerksamkeit benötigt. Denn eines ist sicher: „It’s not a walk in the park“.

Aber dafür werden wir mehr als belohnt. Welche „Entschädigungen“ die Costa da Morte im Laufe dieser Camino del Norte Etappe für unsere Anstrengungen bereithält, fassen wir wie immer nicht nur in Worten, sondern mit über 100 ausgewählten Bildern und Videos zusammen. Auf diese Weise sollen alle, die sich auch mit dem Gedanken tragen, hier einmal entlang zu wandern, einen optischen Eindruck einer – leider oder glücklicherweise – (noch) sehr wenig frequentierten Gegend erhalten.

Wir freuen uns, wenn uns das gelingt und wünschen viel Spaß beim Mitreisen auf der sechstägigen Tour von Corme nach Muxia.


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Irgendwo im Nirgendwo auf der sechsten Camino del Norte Etappe

Zur Erinnerung: Gestern haben wir die erste Wanderung an der Costa da Morte erlebt. Der Weg zwischen As Garzas und Corme verschaffte uns einen guten Eindruck des „Alles, außer gewöhnlichen“ Küstenabschnitts. Es war ein perfekter Tag, eine perfekte Tour – kurz ein perfektes Erlebnis. Entsprechend hoch sind nun auch unsere Erwartungen an das weitere Unterwegs-Sein an der Todesküste. Ob sich diese erfüllen lassen?

Heute steht zunächst die Strecke von Corme über Ponteceso bis nach Neano auf der Agenda. Mit knapp 14 Kilometern eine sehr kurze Strecke – und das ist auch gut so…

Über eine Straße in der Nähe eines kleinen Sandstrandes verlassen wir Corme und gehen zunächst durch einen breiten sandigen Weg in ein kleines Waldstück. Ein schmaler Waldpfad führt dann erst einmal über Stock und Stein bis zum Praia de Ermida.

Hier zieht sich ein stark bewachsener Weg ein wenig in die Höhe. Man sieht es den Bildern und Videos nicht unbedingt an, aber die Strecke ist teilweise schwer begehbar und nicht ungefährlich, steht man doch immer wieder mit einem Fuß fast am Abgrund. Die Meter hohen Pflanzen, bieten nur scheinbar ein Sicherheitspolster.

Das Bild von der sechsten Camino del Norte Etappe zeigt einen schmalen Pfad an der Steilküste umrahmt von Farn.
Sturzgefahr bei der sechsten Camino del Norte Etappe: Die hohen Farne neben dem schmalen Pfad bieten im Ernstfall keinen Halt.

In Wahrheit geht es jedoch neben den schmalen Pfaden immer wieder steil hinunter. Einige Abschnitte dürften bei Regen sogar richtig gefährlich werden, denn nicht selten ist ein Stück des Pfades bereits unterspült worden und abgebrochen und bietet lediglich eine halbe Schuhlänge Platz, um über den kritischen Teil hinweg zu kommen. Tief durchatmen und aufmerksam jeden Zentimeter des Bodens in Augenschein nehmen, bevor der nächste Schritt kommt: So kommen wir schließlich Stück für Stück, wenngleich auch nur sehr langsam, voran.

Es sind knapp sechs Stunden vergangen, als wir schließlich wieder auf flachem und unproblematischem Gelände ankommen und erst über eine große Düne und dann am Fluss Anllons entlang nach Ponteceso gelangen. Es ist der erste Ort, den wir an diesem Tag durchqueren.

Hungrig suchen wir nach einem Lokal. Kurz nach 17 Uhr eine denkbar ungünstige Zeit und da Sonntag ist, sind auch die Türen der Supermärkte geschlossen. Da war es wieder: Das Problem des Versorgungsmanagements, auf das man gerade bei dieser Camino del Norte Etappe nicht oft genug hinweisen kann. Wir sind unseren eigenen Regeln dieses Mal leider nicht treu geblieben und so müssen wir uns mit einer Portion Pommes in einer Bar zufrieden geben.

Ein wenig gestärkt nehmen wir die letzten zwei Kilometer bis nach Neano in Angriff. Ein im wahrsten Sinne des Wortes Sonntagsspaziergang. Angesichts dessen, wie lange wir heute unterwegs waren, müssen wir gedanklich mit dem Kopf schütteln, wenn wir uns vorstellen eine derartige Strecke mit 25 Kilometer geplant zu haben.

Vorsorglich nutzen wir den Abend, um uns mit Hilfe einer der topologischen Umgebungskarte, die wir uns vor einigen Tagen in A Coruna besorgt haben, schon einmal ein grobes Bild von der weiteren Strecke nach Laxe zu machen. Rund 15 Kilometer stehen hier auf dem Programm.

Auf Gebirgstour Richtung Laxe

Der nächsten Morgen beginnt erst einmal wieder entspannt. Auf einem gepflasterten Weg geht es am Mündungsgebiet des Rio Anllons entlang. Unser Blick fällt auf eine größere Gruppe von Menschen, die kniehoch im Wasser stehen und etwas zu suchen scheinen. Die Aufklärung folgt prompt: Ein Spanier gesellt sich zu uns, neugierig, was uns auf diesen Weg verschlagen hat.

Wir erzählen ihm, dass wir aus Irun kommen und dies zwischenzeitlich unsere sechste Camino del Norte Etappe ist. Unser Ziel: Finisterre. Ungläubig sieht er uns an und kann irgendwie gar nicht verstehen, dass wir das freiwillig tun. Mit dem Auto oder Wohnmobil, ja auf diese Weise kommen hier schon häufiger Touristen in die Gegend. Aber alles zu Fuß? Wir müssen lachen und beteuern, dass das wirklich Spaß macht. Ob er es uns abgenommen hat, wer weiß… Aber jetzt zu unserer Frage: Was machen die ganzen Menschen hier im Fluss? Wir erfahren, dass Schalentiere wie Muscheln und Schnecken aus dem flachen Wasser und dem Sand gesammelt werden. Es handelt sich um eine Arbeit, an der sich viele Menschen beteiligen – „un trabajo colectivo“.

Das Bild von der sechsten Camino del Norte Etappe zeigt ein Schild mit dem Schriftzug "un trabajo colectivo".
Bei der Initiative „Un trabajo colectivo“ engagieren sich viele Spanier.

Die Gemütlichkeit des Weges am Fluss entlang nimmt leider bald ihr Ende und nach der kleinen Ortschaft Taboido heißt es wieder „ab in die Wildnis“. Wie bereits gestern, geht es wieder über dicht bewachsene Wege. Heute kommt jedoch erschwerend hinzu, dass Regen in der letzten Nacht und Niesel am Morgen die Strecke aufgeweicht hat, es ist matschig. In weiten Teilen sieht man den Untergrund vor lauter Pflanzen nicht und so warten lauter kleine „Schlingfallen“ nur darauf, dass man sich in ihnen verfängt. Wieder geht es also nur langsamen Schrittes voran.

Gerne würden wir die Details des Weges Interessierten ganz plastisch vor Augen führen, da wir jetzt in der Nachsicht sehen, dass das Bild- und Videomaterial der Beschaffenheit des Weges nicht wirklich gerecht wird. „Da kann man doch durchmarschieren“, mag manch einem beim Betrachten in den Kopf schießen. Die Antwort lautet aber „JEIN!…“ Bei einigen Wegabschnitten muss man sich regelrecht Richtung Hang lehnen, um im Falle eines Fehltritts oder Ausrutschers nicht direkt am Abhang der Steilklippen zu landen. Immer wieder gibt es Hindernisse, die man oft erst im letzten Moment erkennen kann und als ob dies noch nicht genug ist, müssen mannhohes Gebüsch und und stachelige Brombeerhecken mit Hilfe der Stöcke aus dem Weg geräumt werden. Gut, dass wir vor kurzem gelernt haben, dass hier eine Regenhose wenigsten weitgehend Schutz vor den Stacheln bieten kann.

Kaum haben wir den „Dschungel der Costa da Morte“ überwunden, nimmt die Landschaft wieder gebirgsähnliche Züge mit all ihren Vor- und Nachteilen an. Es geht auf und nieder mit freier Sicht auf den Weg und – soweit es das wolkenverhangene und diesige Wetter zulässt – einem wunderbaren Panorama. Doch aufgrund des Regens ist auch der ganze Untergrund aufgeweicht und die einen oder anderen Felsen, die es zu überwinden gilt, sind rutschig wie eine Schlittschuhbahn, so dass es weiterhin heißt: Langsam ein Fuß nach dem anderen…

Nichtsdestotrotz: Als wir endlich in Laxe landen, sind wir uns einig, dass diese Strecke äußerst reizvoll ist und alles bietet, was ein Wanderherz begehrt und dafür kann sie ja schließlich auch unsere ungeteilte Aufmerksamkeit verlangen. Wenn es überhaupt etwas zu beklagen gäbe, dann vielleicht dies: Ein wenig Sonnenschein fehlte an diesem Tag.

Den tragen wir aber mittlerweile zu Hauf in unserem Herzen und so sitzen wir – wenn es sich auch kitschig anhört – überglücklich über die gemeisterte Strecke am frühen Abend in der Bar unseres Hotels. Wieder stecken wir die Nase in die Karten, um die Tour für morgen auszukundschaften.

Bis nach Camarinas ist es zu weit. Rund 34 Kilometer bei ungewisser Streckenführung sind uns aufgrund der Erfahrungen der letzten beiden Tage zu heikel. In der Mitte der Strecke liegen aber die Ortschaften Arou/Camelle. Via Internet wollen wir uns dort eine Unterkunft sichern. Doch wo wir auch suchen, wir finden keine Angebote und fragen daher an der Rezeption nach. Die Antwort: Dort gibt es schlicht keine Albergen, Pensionen oder Hotels. Uns bliebe nur die Übernachtung im Zelt – was leider kein Gegenstand unserer Ausrüstung ist, oder eine Unterkunft in einem Privatzimmer. Letzteres müssten wir allerdings vor Ort klären.

Nach unserer Zitterpartie im Hinblick auf eine Unterkunft in Arnados verspüren wir jedoch nicht unbedingt den Wunsch, hier erneut unser Glück herauszufordern und entscheiden uns für Plan B:

Wir werden morgen bis nach Camelle gehen, dann mit dem Bus oder Taxi zurück nach Laxe fahren, um dort übermorgen mit einem Fahrzeug wieder zum Ausgangspunkt in Camelle zurückzukehren und weiterzulaufen. Ein guter Plan. Jetzt nur noch schnell für eine weitere Nacht das Hotelzimmer hier in Laxe verlängern und dann endlich geht es zu einem schönen Abendessen in ein Restaurant um die Ecke. Wir finden: Das haben wir uns definitiv verdient…

Wie wär’s mal mit Gemütlichkeit…

Am folgenden Tag treten wir also mit leichtem Gepäck – Andrea trägt nur ihre Stöcke und Nico das Nötigste im Rucksack – unseren „Rundweg“ an. Ausgestattet wie Tagestouristen machen wir uns auf nach Camelle. Ein ganz neues Gefühl ohne zusätzliche Kilos auf dem Rücken einfach mal nur so an der spanischen Nordküste vor sich hin zu marschieren.

Die Strecke selbst – so empfinden wir – könnte man fast schon entlang joggen und sehen daher erstaunt teilweise dicke Seile zur Absicherung am Rand. Unverkennbar befinden wir uns auf einem für die Gegend eher seltenen touristischen Wegabschnitt. Der rund fünf Kilometer lange Wanderpfad bzw. Rundweg PR-G 70 führt zu dem – für unseren Geschmack – eher schmucklosen Leuchtturm von Laxe.

Ein wenig davon entfernt passieren wir das Denkmal „A Espera“ – espera: zu Deutsch warten/hoffen. Es ist die Skulptur einer Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm, die sehnsüchtig auf das Meer blickt und auf das Schiff wartet. In Gedenken an die Seeleute und ihre Frauen wurde sie errichtet.

Das Bild von der Costa da Morte zeigt das Denkmal „A Espera“ – zu Deutsch warten/hoffen - bei Laxe, wo eine Frau mit ihrem Kind in der Hand sehnsüchtig auf das Meer blickt und auf das Schiff wartet.
Die Skulptur ‚A Espera‘ – übersetzt warten, hoffen – ist den Seeleuten und ihren Frauen an der Costa da Morte gewidmet.

Kurze Zeit später verlassen wir den Rundwanderweg, um auf schmalen Pfaden, wie man sie auch im Mittelgebirge finden könnte, über den Praia de Soesto bis zum Praia de Traba de Laxe zu gelangen.

Langsam wird es etwas lebendiger. Während wir in den letzten beiden Tagen mutterseelenallein unterwegs waren, treffen wir hier den ein oder anderen Weggefährten: eine kleine Wandergruppe, ein paar Hiker, aber keine Pilger. Möglicherweise liegt dies auch daran, dass im Gegensatz zu den stark zugewachsenen Wegen zwischen Corme und Laxe dieser Weg keine besonders hohen Anforderungen stellt, ja sich fast schon wie eine „Convenience-Tour“ anfühlt.

Wir wollen den großen Praia de Traba de Laxe überqueren, um dann noch ein Stückchen weiter nach Camelle zu gehen. Doch der Blick Richtung Himmel zeigt eine von Sekunde zu Sekunde schlimmer werdende Wolkenfront auf uns zukommen. Wir sehen, dass es in der Ferne bereits regnet. Bis nach Camelle sind es noch gut sieben Kilometer. Das dürften wir heute nicht schaffen und entschließen uns, den Rückweg anzutreten. Just in dem Moment, als wir umdrehen, holt uns der Regen dann auch schon ein und setzt unserer heutigen Erkundungstour an der spanischen Nordküste ein verfrühtes Ende.

Halb durchnässt schaffen wir es an einen kleinen Unterstand an der Straße. Wir beobachten ein Pärchen in einem Wohnmobil, das sich startklar zur Weiterfahrt macht. Kurz zuvor hatte Nico mit dem Mann bereits ein paar Takte gewechselt. Wir fragen nach, ob sie uns zu einer Busstation mitnehmen können? Wir haben Glück. Ihr Ziel ist auch Laxe und so laden sie uns ein mit ihnen zu kommen. Toll, dass das geklappt hat und – sollten sie diesen Beitrag lesen – von hier aus nochmals herzlichen Dank dafür.

Als wir in Laxe eintreffen, hat es aufgehört zu regnen und wir überlegen, was wir mit dem angebrochenen Tag anfangen sollen. Die Entscheidung wird uns leicht gemacht, als eine junge Familie mit zwei Kindern auf uns zukommt und nach dem Weg zum „Playa de los Cristales“ frägt. Davon hatten wir bisher noch nichts gehört, aber irgendwie in Erinnerung, dass wir heute Morgen an der Straße ein entsprechendes Schild gesehen haben. Was ist das Besondere an diesem Strand? Man klärt uns auf und kurzer Hand schließen wir uns der Familie an.

Beim „Playa de los Cristales“ handelt es sich im Grunde um eine kleine Bucht, deren Boden mit vielfältigen farbigen Kristallen – grün-grau-weiße Glasnuggets und durch das Wasser geglättete Scherben – bedeckt ist. Damit diese offensichtliche Touristenattraktion nicht Stück für Stück verschwindet, mahnen Schilder, keine Kristalle als Souvenir mitzunehmen.

Das Bild von der sechsten Camino del Norte Etappe zeigt vom Wasser geformte Glasnuggets in Grün-, Grau- und Weißtönen, die am Playa de los Cristales bei Laxe zu finden sind.
Farbige Glasnuggets sind das Kennzeichen des kleinen Strandes bei Laxe.

Doch woher kommt dieser ungewöhnliche Bodenbelag? Wir erfahren, dass es hier eine Mülldeponie für Flaschen, Porzellan und Ähnliches gab. Die Überreste davon hat das Meer mit seinen Gezeiten und Wellen im Laufe der Jahre gebrochen, geschliffen und poliert.

Wenn die Sonne scheint, sollen die farbigen Kristalle die Strahlen widerspiegeln und hier alles funkeln und glitzern.

So schillernd und glänzend jedoch erleben wir diesen Strand heute nicht, sondern angesichts des trüben Wetters eher matt. Dennoch: ein Besuch war es wert und ein schöner Abschluss unseres Aufenthalts in Laxe.

Regenzeit auf dem Camino del Norte

Unsere Abreise aus Laxe erfolgt am Morgen wie geplant mit dem Taxi. Es bringt uns zu der Stelle, an der wir gestern unsere Tour abgebrochen haben. Von hier aus bis zu unserem Ziel Camarinas sind es rund 20 Kilometer. Eine relative lange Strecke, wenn wir daran denken, dass wir vor zwei Tagen mit rund 15 Kilometer angesichts der Wegzustände gut ausgelastet waren. Aber lassen wir es auf uns zukommen.

Als wir am Ende des Traba-Strandes in Mordomo starten, regnet es wieder leicht und wir ziehen unsere Regenjacke an. Jetzt geht es erst einmal rund 4 Kilometer bis nach Camelle. Abschnittweise müssen wir dabei ein paar Steigungen überwinden. Der Untergrund ist felsig, viel Geröll und alles ist voller Matsch und rutschig. Auf den Weg konzentriert, nehmen wir leider heute nicht so viel von der Umgebung wahr und auch das Fotografieren hält sich angesichts des immer stärker werdenden Regens in Grenzen.

In Camelle angekommen gießt es mittlerweile in Strömen. Aus Sicherheitsgründen beschließen wir daher unseren geplanten Weg an der Küste entlang zu verlassen und der normalen Straße nach bis nach Arou zu gehen. Dann sehen wir weiter. Als wir dort angekommen ist der Regen jedoch unverändert stark. Bei diesem Wetter wären die rund 30 Kilometer zwischen Corme und Laxe quer durch den „Dschungel der Costa da Morte“ ein Höllenritt gewesen. Da wir nicht einschätzen können, welche Streckenzustände uns auf dieser Camino del Norte Etappe noch erwarten würden, siegt die Vernunft: Wir verzichten auf den Gang der Küste entlang und bleiben im Landesinneren, wo wir breite Waldwege und teilweise auch den Rundwanderweg PR-G 158 „Ruta Costa da Morte“, der in Camarinas seinen Start- und Endpunkt hat, folgen.

Camarinas ist dann auch nach rund 20 Kilometer und über sechs Stunden „Walking in the rain“, unser Endpunkt und endlich zeigt sich auch die Sonne wieder am Himmel. Schade, dass wir den Küstenabschnitt verpasst haben, aber vielleicht holen wir das demnächst einfach nach…

An dieser Stelle wollen wir übrigens auch einmal erwähnen, dass die spanische Nordküste und die Costa da Morte nicht nur für „Langstreckenwanderer“ ein tolles Gebiet ist. Unserem subjektiven Empfinden nach – wobei wir dies nicht verifiziert haben – gibt es hier einige schöne Kurz- oder Tageswanderungen, wenngleich sie nicht immer als leicht eingestuft werden können und zum Teil sogar größere Professionalität erfordern.

Landgang an der Costa da Morte

Der nächste Tag bricht an und wieder regnet es. Das Glück der vergangenen Wochen scheint uns auf dem Endspurt ein wenig zu verlassen. Aber wenigstens sind die Temperaturen angenehm mild, als wir in Camarinas starten.

Wir haben beschlossen, heute nicht bis nach Muxia zu gehen, sondern nochmals nach rund 22 Kilometer einen Zwischenstopp in Merexo einzulegen. Trotz des Regens bleiben wir heute unserem geplanten Weg treu. Allzu schwere Streckenabschnitte dürften uns nicht erwarten.

Das offene Meer bekommen wir dabei heute allerdings leider wieder nicht zu Gesicht. Dafür laufen wir an der Enseada da Basa entlang, was durchaus auch seinen Reiz hat.

Wir kommen durch das Landschaftsschutzgebiet am Playa O Arino mit seinem weißen Strand. Einer Tafel entnehmen wir, dass wie in Neano wohl auch hier Muschelsammler häufiger gemeinsam am Werk sind. „Un trabajo colectivo“ – jedoch ist das Gebiet heute menschenleer.

Viele Dorfstraßen und kleine Dörfer prägen auch heute das Bild. Wir durchqueren Tasarano, Dor und schließlich A Ponte do Porto, wo wir den Fluss Grande über eine Brücke passieren und weiter am Flusslauf bis nach Cereixo gehen. Es ist eine beschauliche Seite Galiciens, die wir hier sehen.

Die kleinen Straßen und Häuser, alt und neu, zerfallen und gepflegt, zeigen viele Facetten auf kleinem Raum. Die Gebäude faszinieren uns wie während unseres gesamten Unterwegs-seins auch hier und immer wieder bleibt unser Blick daran hängen. Irgendwann werden wir hierzu sicher auch einmal eine Bildergalerie erstellen…

Nach dem „Landgang“ führt uns schließlich der Weg gegen Ende der heutigen Etappe zurück an die Küste. Wir erblicken weit hinten in der Ferne Muxia. Da werden wir morgen landen. Heute haben wir unser Ziel aber fast erreicht. Noch am Faro de Lago vorbei und über den Praia do Lago, dann stehen wir vor unserer Unterkunft, die direkt hier am Strand liegt.

Es war ein schöner Tag, an dem wir die vielfältigsten Gesichter Galiciens hier an der Costa da Morte erleben durften.

Noch 10 Kilometer nach Muxia

Heute geht es nach Muxia, mit rund 10 Kilometern eine kurze Etappe. An der Flussmündung des Rio do Lago lassen wir den Strand und mit ihm die Küste zunächst wieder hinter uns. Bestaunen können wir hingegen wieder eine Reihe typischer Dorfansichten. An Merexo vorbei landen wir zunächst in As Muinos, einem kleinen gepflegten Örtchen. Hier entdecken wir erstmalig seit langer Zeit wieder ein Jakobswegzeichen. Allerdings weist dieses den Weg in eine andere Richtung, als von uns geplant. Auf unserem GPS-Gerät prüfen wir nochmals kurz den Streckenabschnitt und folgen weiter unserem eigenen Weg, jedoch mit unerwartetem Widerstand.

Das Bild von der sechsten Camino del Norte Etappe zeigt ein Gebäude mit Innenhof an dem ein Jakobswegzeichen angebracht ist.
Kurz vor Muxia sehen wir seit langem wieder erste Jakobswegzeichen entlang der spanischen Nordküste.

An einer Hausecke tritt unvermittelt eine Frau auf die Straße und stellt sich uns in den Weg. Wir verstehen nicht, was sie uns sagen möchte. Irgendetwas mit „sin paso“ – also kein Durchgang oder so ähnlich. Mit Händen und Füßen versuchen wir ihr zu sagen, dass wir richtig sind und nach Muxia möchten. Das war eindeutig das falsche Signal, versucht sie jetzt doch noch vehementer uns vom Weiterkommen abzuhalten und deutet immer wieder in die entgegengesetzte Richtung. Vermutlich möchte sie uns auf den wenige Meter entfernt ausgeschilderten Jakobsweg schicken und da es uns einfach nicht gelingt, ihr begreiflich zu machen, dass wir diesen bewusst meiden, entschließen wir, uns mit einem freundlichen Lächeln zu verabschieden. Wir erhalten als Antwort wie so oft unterwegs bei unserem „Abenteuer Camino del Norte“ ein Kopfschütteln. Ja, so ist das, wenn man seinen eigenen Weg gehen möchte …


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Nach As Muinos erwartet uns ein kleines Waldstück. Die „Ruta dos Muinos“ ist eine kleine idyllische Strecke am Bachlauf entlang, bis der Rio Negro wieder in den Atlantik mündet und wir uns am Praia de Muinos befinden. Noch ein kurzer Aufstieg durch einen Pinienwald und durch das Dorf Chorente, dann wird es wieder lichter um uns herum und wir haben plötzlich einen phantastischen Ausblick. Bei strahlend blauem Himmel taucht Muxia vor uns auf. Jetzt nur noch über die Dunas de Espinerido und dann stehen wir in diesem kleinen, nicht nur – aber vor allem – bei Pilgern bekannten Örtchen.

Muxia: Unverkennbarer Pilgerort

Apropos Pilger: Bereits auf den ersten Metern auf diesem Wallfahrts- und Pilgerort ist es unverkennbar, dass sich hier viele, die einen der Jakobswege gegangen sind, nochmals versammeln. Meist direkt aus Finisterre kommend, machen sie hierher einen Abstecher, bevor ihre Pilgerreise zu Ende geht. Entsprechend voll sind die Straßen und auch unsere Herberge, in der wir erst einmal unsere Sachen ablegen. Wir können es kaum erwarten, das Städtchen zu besichtigen und beginnen zunächst an der Parroquia de Santa María mit dem Aufstieg zum Mirador do Corpino. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick über ganz Muxia bis hin zum Ende der Landzunge, der Punta da Barca, auf der auch der Faro de Muxia zu sehen ist.

Dann gehen wir durch kleine Gässchen über eine angelegte Promenade an der Küste entlang. Gewaltige Felsen säumen hier den Küstenabschnitt, von dem eine Kraft ausgeht, die unseres Erachtens mit nichts, was wir im Laufe unseres „Abenteuer Camino del Norte“ gesehen haben, vergleichbar wäre. Wir sind außer uns vor Freude und die Anstrengungen der vergangenen Wochen sind wie weggeblasen. Unbeschreiblich.

Wir verharren eine Weile an den großen Felsen und gehen dann weiter Richtung Leuchtturm. Hier kommt man unmittelbar an die große Wallfahrtskirche Nosa Senora da Barca. Ein sicher nicht zuletzt aufgrund der einzigartigen Lage wunderbares Gebäude, das gleichzeitig auch Endstation der Verlängerung des Jakobsweges an der spanischen Nordküste entlang zwischen Finisterre und Muxia ist.

Daneben steht das steinerne über 10 Meter hohe Monument „A Ferida“. Das Werk soll an die große Tankerkatastrophe im Jahr 2002 und die unzähligen Freiwilligen erinnern, die im Einsatz waren, um die enormen Umweltschäden an der Costa da Morte zu begrenzen.

Nach dieser nachmittäglichen Besichtigungstour beschließen wir erst einmal wieder die Herberge aufzusuchen und uns für das Abendessen fertig zu machen. Auf dem Speiseplan stehen Percebes. Es wird unsere dritte Begegnung mit den Entenmuscheln. In Cudillero hatten wir die Delikatesse das erste Mal in der Auslage einer Pescaderia gesehen. Zwischen Arnados über Malpica hatten wir Glück und durften diese seltsam anmutende Krebsart in ihrem natürlichen Umfeld bewundern und nun können wir hier in Muxia in einem kleinen Restaurant eine Kostprobe zu uns nehmen.

Das Bild, aufgenommen in einem Restaurant in Muxia an der Costa da Morte, zeigt einen gedeckten Tisch und Entenmuscheln mit Brot auf einem Teller.
Es ist soweit: Die berühmten Entenmuscheln können wir in Muxia zum ersten Mal kosten.

Mit Blick auf die Uhr genießen wir diese und andere Leckereien und brechen dann rechtzeitig wieder auf, um an die Punta da Barca zurückzukehren und dort den Sonnenuntergang zu genießen. Wir sind nicht alleine. Als wir ankommen haben sich viele Menschen auf den Felsen unterhalb der Wallfahrtskirche versammelt und immer wieder sind entzückte Laute und Stimmen zu hören und auch wir werden von dieser einzigartigen Atmosphäre vollkommen eingenommen.

Der Sonnenuntergang ist einfach malerisch – um nicht zu sagen kitschig – und für uns steht fest: Muxia bei Sonnenuntergang gehört mit auf die Liste der „Must Sees“ an der Costa da Morte.

Das Bild von der sechsten Camino del Norte Etappe zeigt die Umrisse der Wallfahrtskirche Santuario da Virxe da Barca in Muxia vor einem Sonnenuntergang.
Ein Bild wie aus dem Bilderbuch: Die Konturen der Wallfahrtskirche vor dem geröteten Abendhimmel.

Toll, toller, Costa da Morte

Mit der Ankunft in Muxia endet der vorletzte Abschnitt unseres „Abenteuer Camino del Norte“. Ein Abschnitt, bei dem uns wieder einmal die Worte fehlen. Wenngleich wir in den letzten Tagen erstmals die für die spanische Nordküste wohl typischen Wetterlaunen zu spüren bekommen haben und daher manchmal nicht entlang unseres geplanten Küstenwegs gehen konnten, so ist die rund 95 Kilometer lange Strecke zwischen Corme und Muxia dennoch ein Traum und jeden Schritt wert. Man vermisst wirklich nichts: Ob weite Strände, große Dünen, eindrucksvolle Steilklippen, beschauliche Flussmündungen, kleine Waldstücke, authentische Dörfer – hier kann man die unglaublich facettenreiche Seiten Galiciens in vollen Zügen genießen.

Allerdings sollte man beachten, dass die Strecke nicht mit einem Pilgerweg vergleichbar ist. Herbergen gibt es unterwegs keine und Hotels oder Pensionen nicht in jedem Ort. Einige Abschnitte sind technisch durchaus sehr anspruchsvoll und je nach Wetterverhältnissen auch als kritisch einzuschätzen. Ungeübte Wanderer sollten sich daher genau überlegen, ob sie sich hier auf den Weg machen möchten.

Wegmarkierungen sind nur sporadisch vorhanden. Dort, wo Wegweiser angebracht sind, wie zum Beispiel PR-G 148 „Camino da Ribeira“ oder PR-G 158 „Ruta Costa da Morte“ sollte man vorsichtig sein, da man sich hier schnell auf einem Rundwanderweg in die falsche Richtung befinden kann.

Das Bild von der sechsten Camino del Norte Etappe zeigt ein rotes Schild, das den Wanderweg Richtung Laxe auszeichnet.
Bei der sechsten Camino del Norte Etappe treffen wir auf viele Wegweiser, die jedoch lediglich Rundwanderwege markieren.

Auch verläuft hier an der Costa da Morte die „Ruta a pie por a Costa da Morte“, deren Verlauf teilweise mit den Wegen des „Camino dos Faros“, der mit grünen Punkten und Fußabdrücken gekennzeichnet ist, identisch ist. Man merkt schnell: DEN Weg gibt es nicht. Erschwerend kommt dazu, dass manche Wege derart zugewachsen sind, dass man sie auch nicht unbedingt auf den ersten Blick als solche erkennen kann und an ihnen vorbei geht.

Bevor man sich also im „Dschungel der Costa da Morte“ verirrt und mangels Kennzeichnung vollständig die Orientierung verliert, ist unser Rat auf jeden Fall ein GPS-Gerät mit entsprechenden GPX-Daten auf die Packliste zu nehmen. Denn sicher ist eines: Mit Landkarte oder Buch in der Hand geht hier gar nichts mehr.


♦ ♦ ♦ Tipps zur Navigation an der spanischen Nordküste ♦ ♦ ♦

Ein GPS-Gerät in Zeiten von iPhone & Co – muss das sein? Diese Frage haben wir uns zu Beginn der Planungen unseres „Abenteuer Camino del Norte“ auch gestellt. Auf dem Markt finden sich schließlich zwischenzeitlich nicht nur Navigations-Apps für den automobilen Bereich, sondern auch für Outdoor-Aktivitäten, die das Smartphone zum Navigations- und Ortungsmeister in der freien Natur machen sollen. Dennoch haben wir uns dazu entschieden, uns zusätzlich mit einem GPS-Gerät auszustatten.

Die Mär von der Internetverbindung
Vorab: Das immer wieder vorgebrachte Argument, dass man zur Navigation und Positionsbestimmung via Handy eine Internetverbindung benötigt, hat sich nach unseren Recherchen als falsch herausgestellt. Die Karten sind offline verfügbar, so dass man auch in abgelegenen Gegenden mit sehr langsamer oder gar keiner Verbindung darauf Zugriff hat.

Jedoch sprachen einige andere Aspekte eindeutig für das GPS-Gerät – was sich auch gerade bei dieser Camino del Norte Etappe bewahrheitet hat.

Fünf Gründe für ein GPS-Gerät

  1. Die Betriebsdauer bei laufender GPS-Ortung liegt bei einem GPS-Gerät weit über der eines Smartphones. Je nach Gerät kann ein Dauerbetrieb von bis zu 25 Stunden ohne zusätzliche Ladestation bzw. Wechselakkus erfolgen.
  2. GPS-Geräte sind wesentlich robuster. Schmutz, Nässe bei Regen oder auch einmal einen Sturz auf den Boden – da sprechen wir aus eigener Erfahrung – schadet ihnen nicht. Smartphones hingegen sind in der Regel nicht oder nur sehr bedingt outdoortauglich.
  3. Durch die mangelhafte Outdoortauglichkeit wiederum muss das Smartphone immer wieder geschützt verstaut werden, während man das GPS-Gerät einfach ständig direkt sicht- und greifbar zum Beispiel am Rucksack anbringen kann. Das umständliche Handling des Aus- und Einpackens entfällt.
  4. Das Display des GPS-Gerätes ist selbst bei Sonnenschein gut ablesbar, bei Smartphone-Displays erschwert das Sonnenlicht jedoch die Sicht auf die Displayanzeige.
  5. Die meisten GPS-Geräte sind in der Lage, mehrere Satellitensignale – zum einen GPS, aber auch GLONASS mit zusätzlich 24 Satellitensignalen – zu empfangen. Wird das eine Signal zu schwach oder fällt aus – was gerade in schwierigen Umgebungen wie hier an der spanischen Nordküste passieren kann – erhält man somit dank Ausweichmöglichkeit dennoch stets eine präzise Positionsbestimmung.
Das Bild zeigt einen Mann mit einem GPS-Gerät an der spanischen Nordküste.
Gerade auch bei dieser Camino del Norte Etappe ein nverzichtbarer „Pfadfinder“: das GPS-Gerät.

Für unser „Abenteuer Camino del Norte“ haben wir uns für das Garmin eTrex 30x entschieden, das mit rund 170 € zu den relativ günstigen GPS-Geräten gehört. Die nächste Generation mit größeren Touchdisplay ist zwar sicher komfortabler in der Bedienung, soll aber auch anfälliger für Störungen sein und mehr Energie verbrauchen. Anstatt 25 Stunden Dauerbetrieb – wenngleich dies sicher etwas optimistisch ist – liegt die Leistungsfähigkeit laut Hersteller nur noch bei rund 14 Stunden.

Routenplanung
Ein zusätzlicher Vorteil: Mit dem kostenfreien Programm BaseCamp (TM) von Garmin lassen sich nicht nur aufgezeichnete Routen bearbeiten und verwalten, sondern auch mit entsprechendem Kartenmaterial – wir hatten hierfür die TopoActive Westeuropa – detailliert am PC planen, was gerade bei einer Outdoor-Aktivität außerhalb festgelegter Wanderstrecken wichtig ist.

Fazit
Das GPS-Gerät ist für uns ein Muss, wenn die Reise auf eher noch unberührte Pfade führt. Es hat sich während unserer 100 Tage an der spanischen Nordküste als hervorragender, zuverlässiger und unverzichtbarer Partner in Sachen Navigation und Orientierung herausgestellt, der ohne Unterbrechung auf „Empfang“ war und auch die kleinsten, mit dem Auge nicht sichtbaren Wege angezeigt hat.


Camino del Norte Etappe 6: Lessons Learned

Jeder Weg ist anders – besonders an der spanischen Nordküste.

Dachten wir nach fast 50 Tagen Erfahrung an der spanischen Nordküste, dass wir das Pensum des Tages gut einschätzen können, so müssen wir sagen: Wir haben uns geirrt. Mehr dem Zufall als der Planung zuzuschreiben war es, dass wir gerade bei dem unwegsamen Gelände zwischen Corme und Laxe lediglich 14 bis 15 Kilometer geplant hatten. Hier ein Tagespensum von 20 und mehr Kilometer vor sich zu haben, wäre angesichts der notwendig hohen Aufmerksamkeit und des langsamen Vorankommens sicher nicht unkritisch.

Auch waren wir erstaunt, dass man nach zwischenzeitlich über 1.000 Kilometer des Unterwegs-Seins zu Fuß das Laufen „neu“ lernen muss. Aber die „dschungelähnlichen“ Wegbeschaffenheiten haben uns teilweise in der Tat dazu gezwungen, uns die Strecke ganz bewusst Schritt für Schritt im wahrsten Sinne zu erarbeiten und hierbei auch die einen oder anderen Ängste zu überwinden. Dazu gehört zum Beispiel auf einem wenige Zentimeter breiten zugewachsenen Weg neben dem Abgrund einer viele Meter hohen Steilküste zu gehen oder einen steilen Aufstieg am Berghang mit Blick in die Tiefe zu bewerkstelligen. Aber es geht und schnell stellt man fest, dass diese Ängste im Grunde reine Kopfsache sind – hervorgerufen von der Vorstellung „Was wäre wenn…“. Aus diesen Überlegungen dann bewusst auszusteigen, sich auf das, was vor einem liegt zu konzentrieren, war wohl die wichtigste Herausforderung, die wir dieses Mal meistern mussten.

Dass man angesichts des dicht bewachsenen Weges keine Spinnenphobie haben und auch nicht zu Tode erschrecken sollte, sobald eine große Eidechse den Weg kreuzt, sei hier nur am Rande erwähnt…

Ja, das Unterwegs-sein auf eigenen Wegen, hat seinen Preis. Jeder Tag stellt neue Aufgaben an Körper und Geist. Und: Nicht selten stößt man auf Unverständnis.

Wer seinen eigenen Weg geht, erntet manchmal Kopfschütteln.

Die Begegnung mit der Spanierin, die uns vor ein paar Tagen unbedingt von unserem Weg abbringen und auf den Jakobsweg schicken wollte, hat uns dies wieder ganz deutlich vor Augen geführt.

Diese Situation steht im Grunde stellvertretend für so vieles im Leben. Immer wieder, wenn man sich ein wenig außerhalb der „Norm“ bewegt, wenn man Neues versuchen und sich nicht mit „das haben wir immer schon so gemacht“ zufrieden geben möchte, erntet man zumindest zunächst ein „Kopfschütteln“ von unterschiedlichsten Seiten. Aber sollte nicht gerade Ziel des Lebens sein, seinen eigenen Weg zu suchen und zu gehen, und nicht das Leben der anderen zu leben? Eine philosophische Frage…

Dass wir bei unserem „Abenteuer Camino del Norte“ immer wieder die eingelaufenen Pfade verlassen und eigene Wege gegangen sind, haben wir jedenfalls bislang nicht bereut. Im Gegenteil. Fast sind wir schon ein wenig traurig, dass sich die Reise nunmehr dem Ende nähert.

Noch drei Tage dann werden wir endgültig am Ende der Welt angekommen sein – in Finisterre. Jetzt liegen keine 50 Kilometer mehr vor uns. Eine kurze Strecke, bei der sich der Kreis unseres „Abenteuer Camino del Norte“ schließt. Denn wie zum Start in Irun gibt uns jetzt wieder der Jakobsweg die Richtung vor. Eine populäre Strecke also, die erwartungsgemäß so voller Pilger ist, dass wir schnell wieder unseren eigenen Weg gehen. Ein wunderbares Finale entlang der Küste erwartet uns dabei. Dazu aber mehr im Reisebericht zur siebten Camino del Norte Etappe.

>> Und so geht es weiter: Camino del Norte Etappe 7: Finisterre – das Ende der Welt

>> Was bisher geschah: Camino del Norte Etappe 5: zu Gast im Surfcamp an der Costa da Morte

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