Abenteuer 100 Tage Südamerika Teil 1 . Oder: Landen im Ausnahmezustand

Monatelang haben wir geplant, vorbereitet und mit freudiger Erwartung darauf hin gefiebert, dann standen wir Anfang Mai endlich mitten in Südamerika, genauer gesagt in Bolivien, dem Startpunkt unseres „Abenteuer 100 Tage Südamerika“ und Auftakt einer – ohne das Ende bereits vorwegnehmen zu wollen – unvorstellbar phantastischen Zeit, die mit nichts, aber auch gar nichts vergleichbar ist, was wir bisher erlebt haben. Aber beginnen wir von vorne.


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Über den Wolken ins „Abenteuer 100 Tage Südamerika“

Von Frankfurt kommend landeten wir nach knapp 15 Stunden Flug und einem Zwischenstopp in Madrid auf dem Flughafen Viru Viru Internacional in Santa Cruz. Als wir mit unseren beiden Rucksäcken bepackt durch die Kontrolle gingen und uns offiziell mit einem Stempel im Pass die Erlaubnis für einen 30tägigen Aufenthalt bescheinigt wurde, konnten wir es noch nicht so richtig fassen. Sind wir tatsächlich da? In Südamerika? Einem für uns noch vollkommen fremden Kontinent, den wir nur aus den Medien kennen? Ja, in der Tat! Wir sind mittendrin und zugegebener Maßen ein wenig aufgeregt.

Das Bild wurde in Südamerika am Flughafen VIRU-VIRU in Santa Cruz, Bolivien, aufgenommen und zeigt den Eingang mit Taxis vor der Türe.
Das „Abenteuer 100 Tage Südamerika“ startet auf dem Flughafen VIRU-VIRU in Santa Cruz, Bolivien.

Jetzt hieß es erst einmal durchschnaufen, einen Kaffee trinken, anschließend ins Hotel, eine Kleinigkeit essen und alles vorbereiten für den Aufbruch am nächsten Morgen. Dann ging es nämlich weiter nach Sucre, an den Ort, an dem wir die ersten beiden Wochen unseres „Abenteuer 100 Tage Südamerika“ verbringen wollten.

Nach einer kurzen Nacht begaben wir uns also wieder an den Flughafen, bereit für die Weiterreise. Kein Airbus, sondern eine kleinere Propellermaschine erwartete uns dieses Mal auf dem Rollfeld. Mit 50 Sitzen war das Flugzeug in dem wir Platz nahmen kaum größer als ein Bus. Entsprechend schnell war der Innenraum mit den Passagieren gefüllt und bereit zum Start. Lächelnd ging die Flugbegleiterin durch den Gang und überreichte jedem ein kleines Tütchen. Watte, die sich einige gleich eifrig in die Ohren steckten. Offensichtlich wussten sie, was sie erwarten würde.

Das Bild, aufgenommen auf einem Flughafen in Südamerika, zeigt eine Propellermaschine mit dem Schriftzug „amaszona“, in die die Passagiere einsteigen.
Intensives Fluggefühl: mit der Propellermaschine in Bolivien unterwegs.

Wir hingegen waren erst einmal ahnungslos. Natürlich hatten wir ein paar Geschichten über Inlandsflüge in Südamerika gelesen, aber erst jetzt sollten wir eigene Eindrücke sammeln können. Eindrücke, die das Gelesene bereits vom Start weg bestätigten. Überall ruckelte es als sich die Maschine in Bewegung setzte und nicht nur die Größe des Innenraums, sondern auch das dann folgende Fluggefühl selbst erinnerten mehr an eine Busfahrt als an einen Flug. Jedes Luftloch machte sich mit einem kleinen Schlag bemerkbar, doch wirklich unsicher fühlten wir uns nicht. Im Gegenteil: Es hatte etwas Lebendiges zu spüren, wie sich das Flugzeug am Himmel bewegte. Die Geräuschkulisse gehörte dabei für uns irgendwie dazu und so ließen wir ungeschützt den Lauten des sich unentwegt drehenden Propellers ihren Lauf.

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Die hervorragende Sicht auf die Landschaft Boliviens gleicht den etwas mangelhaften Komfort beim Flug nach Sucre locker aus.

Sehr lange mussten wir in der komfortfreien Zone der Propellermaschine auch gar nicht aushalten. Gemessen an dem, was hinter uns lag, war der Flug von Santa Cruz nach Sucre nämlich ein Katzensprung. Es dauerte gerade einmal 53 Minuten, dann waren wir auch schon am Ziel. Als wir aus dem Gebäude des Flughafens Alcantari nach draußen traten, pumpte das Herz, das Atmen fiel einen Tick schwerer als sonst. Ein Blick auf den Höhenmesser unseres iPhones brachte die Erklärung: In nicht einmal einer Stunde haben wir eine Höhendifferenz von rund 2.800 Metern zurückgelegt und befanden uns nun auf 3.150 Metern – also sozusagen über Zugspitzen-Niveau.

Hier sieht man das weiß-rote Flughafengebäude Alcantari in Südamerika, Bolivien, das auf über 3.000 Metern Höhe liegt bei strahlend blauem Himmel.
Flughafen Alcantari: Ankunft auf über 3.000 Metern Höhe.

Langsam begannen wir zu begreifen, was mit der vielzitierten „Akklimatisierung“ gemeint war. Gut, dass heute keine größeren Aktivitäten mehr auf unserer Agenda standen, sondern nur noch eine kurze Fahrt mit dem Taxi – so der Plan. Die Realität sah jedoch ganz anders aus.

Abruptes Ende einer Taxifahrt

Nach sorgfältiger Auswahl – schließlich hatten wir uns ja ausreichend über nicht legale „Taxis“ und die damit verbundenen Gefahren für Reisende informiert – stiegen wir in ein Fahrzeug und fuhren aus dem Flughafengelände. 25 Kilometer, dann werden wir da sein. Neugierig schauten wir aus dem Fenster, ließen die Umgebung an uns vorbeiziehen, während wir gleichzeitig lauschten, was sich auf dem Vordersitz tat. Seit wir losgefahren sind stand der Fahrer in ständigen Funkkontakt mit anderen. Von Sekunde zu Sekunde wurde er merklich nervöser und wechselte von der asphaltierten Straße plötzlich auf eine holprige Sandpiste. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wir sahen uns fragend an. Angesichts einschlägiger Sicherheitshinweise wurde uns etwas mulmig…

Das Bild wurde in Südamerika, Bolivien, aufgenommen und zeigt den Blick aus der Vorderscheibe eines Taxis, das auf einer sandigen Straße an Häuserreihen entlang fährt.
Nicht ganz geheuer: Taxifahrt abseits der Hauptverkehrsstraße.

Dann, nach wenigen Kilometern Fahrt, stoppte das Taxi abrupt mitten auf der Strecke am Straßenrand. Der Fahrer drehte sich zu uns um und redete auf uns ein. Wir hatten Mühe, ihn zu verstehen. „Termino, Termino“ hallte in unseren Ohren. Was will er uns damit sagen? Wir versuchten nachzufragen, doch die Sprachbarriere war zu groß. Schließlich verließ er das Auto. Der Kofferraumdeckel öffnete sich und plötzlich standen unsere Rucksäcke am Straßenrand. Langsam begannen wir zu verstehen. „Termino“. Wir sind am Ende unserer Fahrt angelangt, unglücklicherweise aber offensichtlich längst nicht am Ziel…

Etwas unschlüssig stiegen wir aus dem Taxi. Erst jetzt fielen uns die vielen Fahrzeuge auf, die vor und hinter uns parkten. Wir gingen zu einem jungen Paar, das genauso perplex wie wir die Lage sondierte. Vielleicht würden wir von ihnen erfahren, was hier los ist. In gebrochenem Englisch – die beiden waren aus Kolumbien angereist – klärten sie uns auf: Sucre befindet sich im Ausnahmezustand. Alle Zufahrtswege seien blockiert und nicht passierbar. Kein Fahrzeug käme mehr rein oder raus. Ob Privatauto, Taxi, Bus oder sonstige motorisierte Vehikel: Zu gefährlich sei es für sie alle, die Barrikaden – wenn es denn überhaupt möglich sei – zu umfahren.

Der Start ins „Abenteuer 100 Tage Südamerika“ beginnt mitten im Ausnahmezustand.

Kurz waren wir sprachlos. Was sollten wir tun? Einfach der Straße entlang gehen? Gut, nur wie weit war es bis zu unserm Ziel? 20 Kilometer? Im Prinzip kein Problem, doch befanden wir uns zum einen auf ungewohnter Höhe, zum anderen waren es geschätzte 26 bis 28 Grad warm und die Sonne schien unerbittlich vom fast wolkenlosen Himmel auf den Asphalt. Wie lange werden wir wohl unterwegs sein? Wir konnten es beim besten Willen nicht einschätzen. Nur so viel war klar: Unser Abenteuer begann früher als erwartet…

Start in Südamerika: Unfreiwillig auf Wanderschaft

Überall öffneten sich nun Fahrzeugtüren und Menschen traten auf die Fahrbahn. Ob jung oder alt, Mann oder Frau, Bolivianer oder Tourist: Sie alle waren von den Unruhen gleichermaßen betroffen und mussten zu Fuß weitergehen – bepackt mit Einkaufstüten, Säcken, Koffern oder Reisetaschen. Auch wir machten uns bereit und zogen unsere Rucksäcke auf. Verglichen mit anderen befanden wir uns dabei in einer vergleichsweisen guten Situation, ließen sich diese doch wesentlich besser transportieren, als die unhandlichen Lasten mit denen hier viele kämpften, während wir uns bereits auf den Weg machten.

Das Bild zeigt einen Mann mit Rucksack, der durch ein Streikgebiet in Südamerika geht.
Das „Abenteuer 100 Tage Südamerika“ startet unerwarteter Weise zu Fuß.

In der Ferne tauchten erste Barrikaden auf. Holzstämme, trockene Äste, große Steine, Autoreifen und vieles mehr lagen auf der Straße, Motorräder und Autos standen kreuz und quer und überall standen Demonstranten.

Langsam gingen wir an den ersten Hindernissen vorbei, vorsichtig zwischen Streikenden hindurch und stiegen über die aufgestellten Barrieren. Mehr als einmal trafen uns dabei beim „Durchbruch“ des ein oder anderen Hindernisses argwöhnische Blicke. Was waren wir froh darüber, zumindest zu Beginn unserer unerwarteten Wanderschaft nicht alleine unterwegs zu sein! Alles hier war so fremd und die demonstrierenden Menschen und ihre möglichen Reaktionen konnten wir beim besten Willen nicht einschätzen. Erschwerend hinzu kam, dass wir aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse die Stimmen und das aggressive Rufen vom Straßenrand nicht verstanden. Gegen wen oder was richtete sich das? Waren wir damit gemeint? Oder waren uns die Demonstranten wohlgesonnen? Jetzt bloß keine Unsicherheit zeigen, sondern selbstbewusst vorbei gehen, immer wieder an brennenden Mülltonnen, zahlreichen Barrieren und den Menschen, die mit Holzstöcken, Stäben und Steinen in der Hand teils alles andere als einen freundlichen Eindruck machten.

Das Bild zeigt Demonstranten in Bolivien, die die Straße vom Flughafen nach Sucre blockieren.
Der Weg zur Unterkunft in Sucre führte über Barrikaden und durch Streikgebiete.

Befremdlich – doch mit der Zeit gewöhnten wir uns an die Situation und unsere anfängliche Anspannung löste sich etwas. Das war auch gut so, denn das Feld der „Gleichgesinnten“ hatte sich unmerklich gelichtet. Viele, die sich wie wir unfreiwillig zu Fuß auf den Weg machen mussten, schienen hier in der Gegend zu leben und sind bereits in die Seitenstraßen abgebogen. Andere wiederum kämpften mit jedem Schritt und irgendwann hatten wir sie weit hinter uns gelassen oder wurden selbst überholt – von Einheimischen mit leichtem Gepäck.

Das Ziel in Sichtweite: endlich raus aus der „Gefahrenzone“

Gut vier Stunden – eine gefühlte Ewigkeit – waren wir zwischenzeitlich unterwegs immer der Straße entlang, durch Dörfer und Vororte bis endlich zwischen den Häusern unter uns eine Stadt auftauchte. Sucre! Endlich hatten wir das Ziel vor Augen und waren froh, nun aus der „Gefahrenzone“ zu kommen…

Das Bild, aufgenommen in Sucre, Bolivien, zeigt einen Bus und Fahrzeuge, die die Fahrbahn blockieren. Im Vordergrund sitzt ein Hund.
Heute noch Barrikade, morgen wieder Verkehrsmittel: Bus auf den Straßen von Sucre.

Jetzt ging es nur noch ein paar hundert Meter die Hauptstraße nach unten an ein paar Busblockaden vorbei, dann bogen wir ab in die kleine Seitengasse, an deren Ende unsere Unterkunft lag. Als sich die Türe öffnete, erlebten wir von einer Sekunde zur anderen das andere, das freundliche Gesicht Südamerikas. Herzlich begrüßte uns Tanja die Besitzerin und entschuldigte sich mehrfach für die Umstände, unter denen wir angereist waren. Es war ja nicht ihre Schuld, aber dennoch schien sie sich verantwortlich zu fühlen und lud uns zu einer Tasse Kaffee ein, bei der sie uns ein wenig über die Hintergründe der Proteste – es handelte sich um einen Streit um Gasvorkommen in der Gegend – aufklärte.

Wenig später führte sie uns in unser gemütlich eingerichtetes, kleines Zimmer. Schlagartig machten sich die letzten drei Tage bemerkbar. Der lange Flug, die Zeitumstellung, der heutige Marsch auf rund 3.000 Metern Höhe, die Anspannung angesichts der demonstrierenden Umgebung – all dies zollte nun sein Tribut. An diesem Tag würden wir keinen Schritt mehr vor die Türe machen. Jetzt galt es nur noch das Nötigste auszupacken und unter die Dusche zu gehen.

Über den Dächern von Sucre

Es war Abend geworden, als wir bei einer Flasche Wein im Zimmer saßen, die letzten Stunden Revue passieren ließen und die wenigen Bilder und Videos des Tages – aus Sicherheitsgründen hatten wir meist auf Aufnahmen verzichtet – ansahen. Jetzt wurde uns nochmal richtig bewusst, wie verrückt die Umstände waren, unter denen wir angereist sind.

Das Bild aus Sucre, Bolivien, zeigt den Blick über die Dächer der Stadt bei Dunkelheit.
Die „weiße Stadt“ am Abend: trügerische Stille in der Nacht.

Ja, wenn man nun in der Dämmerung hinab auf die Dächer der Stadt blickte, war es in der Tat kaum zu glauben, was wir heute erlebt hatten. Alles erschien hier von oben betrachtet so ruhig, so friedlich. Doch wir sollten uns täuschen. Unsere „Streikerfahrungen“ vom heutigen Tag sollten erst der Anfang sein…

Wie sich die Lage vor Ort weiter entwickelte, dazu mehr im zweiten Teil unseres Erlebnisberichtes „Abenteuer 100 Tage Südamerika“.

>> Und so geht es weiter: Abenteuer 100 Tage Südamerika Teil 2 . Oder: Willkommen in Sucre

>> Was bisher geschah: Das Abenteuer 100 Tage Südamerika geht an den Start!

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