Camino Portugues Etappe 5: Über Camino-Sherpas & Co.

Die zwischenzeitlich fünfte Camino Portugues Etappe von Ancora nach Mougas startet etwas verspätet. Es ist Sonntag und wir haben tatsächlich verschlafen. Jetzt müssen wir uns sputen, verlassen wir doch heute Portugal und setzen mit der Fähre nach Spanien über, um dort den Jakobsweg fortzusetzen. In Windeseile packen wir alles zusammen und gehen 20 Minuten später die kleine Hafenpromenade von Ancora Richtung Ortsausgang entlang. Gerade laufen wir an den letzten Häusern vorbei, als uns unsere Bekanntschaft von gestern, der Portugiese vom „Erntedank-Fest“, entgegenkommt. Zufall?

Er bleibt stehen, wir unterhalten uns und fragen ihn schließlich nach den Abfahrtszeiten der Fähre. „In circa einer Stunde“ antwortet er und bietet sich spontan an, uns die sieben Kilometer nach Caminha zu fahren. Erst zögern wir, müssen uns schließlich aber eingestehen, dass wir zu Fuß auf keinen Fall mehr rechtzeitig ankommen werden und nehmen das Angebot dankend an.

Zugegebenermaßen mit einem etwas schlechten Gewissen sitzen wir im Auto – nicht nur, weil wir nicht zu Fuß gehen, sondern auch wegen dieser unglaublichen Hilfsbereitschaft, die wir in den letzten Tagen bereits erleben durften und auch soeben wieder erleben. Weshalb ist das hier so, fragen wir nach und die ebenso schlichte wie erstaunliche Antwort stimmt uns nachdenklich: Viele Portugiesen leben voller Überzeugung nach dem Motto „Tue Gutes und Gutes wird Dir begegnen“.

„Tue Gutes und Gutes wird Dir begegnen“.

Ein Satz, der uns ziemlich deutlich vor Augen führt, wie ignorant man sich selbst manchmal verhält, wenn man verbal oder nonverbal um Hilfe oder auch nur um einen kleinen Gefallen gebeten wird. Keine Zeit, keine Geduld, keine Lust. Wie oft lässt man sein Gegenüber im Regen stehen?

Als wir die Anlegestelle erreichen, ist die Fähre bereits startklar. Wir verabschieden uns im wahrsten Sinne des Wortes „dankbar“ und mit der sicheren Erkenntnis, dass diese morgendliche Begegnung kein Zufall war…

Das Bild zeigt uns zusammen mit einem Portugiesen, der uns bei der Camino Portugues Etappe von Ancora nach Mougas an die Fähre gefahren hat.
Ein Bild zum Abschied… Und ein riesiges Dankeschön!

Nachdem wir unsere Tickets gekauft haben – übrigens kosten sie nur ein Euro pro Person – begeben wir uns ans Deck. Oben angekommen, blicken wir zurück nach Caminha, verabschieden uns in Gedanken von dem lieb gewonnenen Portugal, dann sehen wir uns um. Neben vielen Autos und ihren Insassen entdecken wir zwei Reisende mit Rucksack, die wir unserer Erinnerung nach bereits heute Morgen in Ancora gesehen haben. So schnell können sie unmöglich zu Fuß hierhergekommen sein. Möglicherweise sind wir also nicht die Einzigen, die sich an diesem Sonntag auf vier Rädern fortbewegt haben? Wir sagen „Hallo“ zu Beno, dem Österreicher und Alexis, der Kanadierin. Beide sind wohl schon seit Jahren immer wieder auf den Jakobswegen in Spanien, Frankreich und Portugal unterwegs und berichten, dass eine Fahrt mit dem Bus oder im Taxi auch in Pilger-Kreisen überhaupt nichts Ungewöhnliches sei. Das wundert uns ein wenig, haben wir doch davon noch nie gehört oder in einschlägigen Blogs und Facebook-Gruppen gelesen. Ganz im Gegenteil. Aber wer gibt schon gerne zu, sich ab und an ein paar Kilometer Auszeit vom „Fußpilgerdasein“ zu gönnen…

Zumindest wegen der morgendlichen Autofahrt schwindet unser schlechtes Gewissen angesichts dieser neuen Erkenntnis mit jedem Meter, den wir den Rio Mino mit der Fähre – übrigens auch bei eingefleischten Pilgern anerkannt – überqueren.

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Um 11.45 Uhr legen wir auf der spanischen Seite an und holen uns in der Estación marítima den Stempel für den Pilgerpass. Unsere kurzzeitigen „Mitpilger“ laufen bereits dem gelben Pfeil vom Parkplatz Richtung Inland nach. Soweit erkennbar, führt dieser Weg jedoch weg von der Küste und wir entscheiden uns dazu am Ufer weiter zu gehen, auch wenn dies ein kleiner Umweg ist.

Zwischen Waldrand und Küste gehend erreichen wir A Guarda, in manchen Beschreibungen auch als „kunterbunter Fischerort“ bezeichnet. Und tatsächlich: Besser kann man die Kulisse aus bunt gestrichenen Häusern und kleinen Fischerbooten in fröhlichen Farben nicht zusammenfassen. Alleine der Anblick macht schon gute Laune und gerne hätten wir auch das kulinarische Highlight in dem Ort, dessen Spitzname wohl „Hauptstadt der Langusten“ lautet, genossen. Aber die Strecke ruft und wir müssen leider weiter, während der Hafen von A Guarda andere gleich scharenweise anzieht: Touristen.

Das Bild von der fünften Camino Portugues Etappe zeigt den Blick auf den bunten Fischerort A Guarda.
Die fünfte Etappe unseres Camino Portugues führt von Ancora über den kleinen Fischerort A Guarda nach Mougas.

Vor uns halten zwei Busse aus den Niederlanden. Die Türen gehen auf und eine Menschenmasse strömt auf den Parkplatz. Ein paar rufen „Bon Camino“, wir erwidern den Gruß, bleiben stehen und erfahren mehr über die „Buspilger“ – sie heißen tatsächlich so!: Je nach Strecke dauert eine Busreise auf den Jakobswegen zwischen zwei bis vier Wochen. An einigen Tagen sind Fußmärsche von relativ kurzer Dauer mit zwei oder drei Stunden vorgesehen, an anderen steht der Besuch von Sehenswürdigkeiten im Vordergrund oder auch eine Stadtbesichtigung wie heute an. Gekrönt wird die Reise – wie könnte es anders sein – mit der Einfahrt in Santiago de Compostela. Dass dies, wie man uns begeistert schildert, die komfortabelste Art einer Camino-Tour ist, mag richtig sein, aber wir halten es mit der Tradition und gehen lieber per pedes weiter.


Impressionen vom Camino Portugues! Fernsichten, Meerblick, Küstencharme, Märchenwald, Windmühlen und alte Gemäuer: Auf der Küstenvariante des portugiesischen Jakobsweges gibt es viel Sehenswertes. Momentaufnahmen gibt es in der großen Camino Portugues Bilderschau. Einfach mal reinschauen.

Auf diesem Camino Portugues-Banner wird die Bilderschau mit über 100 Impressionen beworben.


Über Asphalt, Schotter, Holzplanken und vor allem entlang von Fahrradwegen – ja richtig gelesen! – führt uns der Weg nach Mougas und wir hören von einem neuen Trend, der sich seit wenigen Jahren abzeichnet: die sogenannten „Fahrradpilger“ erobern mit ihren Bikes zunehmend die Jakobswege.

Fußpilger, Buspilger, Fahrradpilger… Der heutige Tag gleicht einer einzigen Nachhilfestunde in Sachen Pilgerschaft. Und als wäre dies noch nicht genug, entdecken wir einige Stunden später noch eine weitere Spezies:

In Oia auf dem Vorplatz der „Monastery of Santa Maria Oia“ treffen wir auf eine kleine Gruppe aus Norddeutschland. Sie erzählen, dass sie – wie wir auch – gerade auf ihrem ersten Camino sind. Mit so wenig Gepäck, fragen wir. Nein, sie haben mehr dabei, nutzen aber den Gepäcktransport am Pilgerweg und laufen daher lediglich mit einem Tagesrucksack auf dem Rücken ihrem jeweiligen Etappenziel entgegen. Und wieder etwas dazu gelernt. Die „Camino-Sherpas“ – so nennen wir sie einfach einmal – nehmen den Pilgern den physischen Ballast ab. Nun kann man diesem Transportservice natürlich kritisch gegenüberstehen, insbesondere wenn er nur aus purer Bequemlichkeit genutzt wird. Doch es sind auch genau diese Services, die es vor allem Menschen mit größeren körperlichen Problemen oder Einschränkungen ermöglichen ihren eigenen Camino-Traum zu verwirklichen.

Camino Portugues Etappe 5 von Ancora nach Mougas . Impressionen

Ein Tag voller neuer Erkenntnisse neigt sich dem Ende zu, als wir in der Albergue Turístico Aguncheiro in Mougas ankommen. Wir machen uns frisch und lassen dann den Abend in der Bar der Herberge bei Wein, Tortilla, Salat und selbstverständlich unserem allabendlichen Check ausklingen.

Das GPS-Gerät zeigt 36,8 Kilometer an, davon haben wir rund 7 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Bleiben immer noch knapp 30 Kilometer, die wir heute geschafft haben. Nicht schlecht, zumal sich die körperlichen Zipperlein stark in Grenzen halten.

Der persönliche „Systemcheck“:

  • Andrea: Die Blasen an den Füßen sind noch spürbar, aber deutlich auf dem Weg zur Besserung
  • Nico: alles im grünen Bereich

Die Learnings der fünften Camino Portugues Etappe

  • Bei der Buchung unserer Unterkunft in Ancora hatten wir nicht darauf geachtet, dass sich diese lediglich im Landkreis Caminhas befindet, Caminha selbst jedoch noch ein ganzes Stück –  in „Zu-Fuß-Zeiten“ rund zwei Stunden – entfernt ist. Also zukünftig verstärkt auf die Entfernungsangaben achten!
  • Außerdem: Es gibt viele Arten auf den Jakobswegen zu reisen und gleichgültig, welche man wählt: jeder Einzelne der hier unterwegs ist – ob zu Fuß, per Bus, per Auto, mit Hilfe von Gepäckservices oder mit dem Fahrrad – hat seine Freude daran. Und das ist schließlich das Wichtigste.

Vollgepackt mit neuen Erkenntnissen begeben wir uns heute zu unserem Nachtquartier und studieren noch kurz die Karte für unser morgige, sechste Camino Portugues Etappe, die uns nach Nigran/A Ramallosa führen wird. Wir freuen uns drauf…

>> Und so geht es weiter: Camino Portugues Etappe 6: Ruckzuck am Ziel

>> Was bisher geschah: Camino Portugues Etappe 4: Schwer verliebt in Portugal

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