Camino Portugues Etappe 3: Die kleinen Dinge im Leben…

Heute steht die dritte Camino Portugues Etappe von Fao nach Viana do Castelo auf dem Plan. Wir wachen bereits vor dem Klingeln des Weckers auf. Es ist halb sieben als wir vorsichtig in uns hinein hören und merken, dass der Körper die nächtliche Ruhephase offensichtlich genutzt und sich angesichts der gestrigen (Über-)Anstrengung erstaunlich gut erholt hat. Kein Muskelkater, keine nennenswerten Schmerzen. Natürlich wäre es gelogen, wenn wir unseren physischen Zustand als topfit und „zum-Bäume-ausreißen“ bezeichnen würden. Aber wir fühlen uns wirklich ganz gut. Die Befürchtungen, unseren Jakobsweg vielleicht sogar abbrechen zu müssen, haben sich über Nacht auf wundersame Weise verflüchtigt. Fest steht aber auch: Eine Wiederholung des gestrigen Tages wollen wir nicht erleben und versuchen mit verschiedenen Maßnahmen Vorkehrungen – soweit dies überhaupt möglich ist – zu treffen:

  1. ­Sorgfältig versorgen wir Blessuren an den Füßen mit Blasenpflaster und Tapes.
  2. Das Zimmer für heute Abend buchen wir gleich über booking.com.
  3. Ergänzend zu den Offline-Wegkarten und -markierungen aktivieren wir bei Etappenstart GoogleMaps, um unnötige Umwege zu vermeiden.
  4. Alle zwei Stunden wird eine Pause eingelegt, ausreichend Kalorien zu sich genommen und der „Wohlfühl-Zustand“ kritisch hinterfragt.

So, das dürfte alles sein, was wir im Moment tun können. Bestens gelaunt begeben wir uns zum Eingang der Herberge und freuen uns auf das Frühstück. Bei Kaffee und Brötchen Kraft zu tanken erscheint uns dringend nötig, mussten wir doch den Vortag – sozusagen als krönender Abschluss – nicht nur total erledigt, sondern auch noch hungrig beenden.

Als wir an den Empfang treten, begrüßt uns die gleiche Dame wie am Abend zuvor und erkundigt sich, ob alles in Ordnung war. Alles bestens, wir haben gut geschlafen und sind jetzt auf dem Weg zum Pilgerfrühstück. Wo müssen wir hin? Sie schaut uns einen Moment an, schüttelt dann mit dem Kopf und teilt uns mit, dass wir uns mit dem Frühstücken noch 90 Minuten gedulden müssten. Es kostet uns einiges an Beherrschung in diesem Moment unsere Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, aber es hilft ja nichts. Also bedanken wir uns mit einem vermutlich etwas verkrampften Lächeln für die Information und beschließen auszuchecken. Wenige Minuten später, wir haben gerade den Zimmerschlüssel abgegeben und fast die Ausgangstüre erreicht, ruft uns die Empfangsdame nochmals zurück und bittet uns kurz zu warten. Haben wir etwas vergessen?

Sie verschwindet im Raum nebenan. Stimmen sind zu hören, Türen klappern, Papier raschelt. Wir schauen uns fragend an, als sie mit zwei kleinen Tüten wieder neben uns auftaucht. Mit den Worten „A small compensation…“ überreicht sie uns doch tatsächlich ein kleines Frühstückspaket. Damit haben wir nicht gerechnet. Diese Überraschung ist wirklich gelungen. Freudig nehmen wir das Geschenk an und verabschieden uns mit einem riesen Dankeschön.

Dieses Bild vom Morgen unserer dritten Camino Portugues Etappe, die von Fao nach Viana do Castelo führt, zeigt ein kleines Frühstückspaket mit Jogurth und Schokolade im Plastikbeutel.
Die dritte Camino Portugues Etappe von Fao nach Viana do Castelo startet mit einem kleinen Frühstück.

Draußen vor der Türe halten wir nochmals inne. Wie heißt es so schön: „Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die wirklich glücklich machen.“ Das eben Erlebte ist wieder ein wunderschönes Beispiel dafür. Langsam beginnen wir zu erahnen, was es mit dem in einschlägigen Facebook-Gruppen so häufig beschriebenen „Camino-Spirit“ auf sich hat…

Zufrieden treten wir gegen 8 Uhr mit Schokoladenmilch in der einen und Kuchen in der anderen Hand die dritte Camino Portugues Etappe an und kaufen in Esposende zunächst Wegverpflegung ein. Danach geht es weiter, bis wir kurz nach Marinhas die erste Pause einlegen. Wie wir uns fühlen? Alles ist im grünen Bereich und auch viele weitere Stunden später gibt es noch keine körperlichen Beschwerden.

Knapp 18 Kilometer haben wir geschafft, bis schließlich doch die ersten Anzeichen auftreten. Vor allem Andrea kämpft mit ihren Blasen. Der Druck durch die Schuhe ist zu stark geworden. Sie probiert, ob ein Schuhwechsel Abhilfe schaffen kann und tauscht Wanderschuhe gegen Sandalen. Ein paar Testschritte vor und zurück: Ja, das passt. Was sind wir froh, dass wir entgegen zahlreicher Stimmen keine Flip-Flops mitgenommen haben, sondern richtige Wandersandalen, die sowohl abends, in der Dusche aber im Fall aller Fälle eben auch beim Laufen längerer Strecken ihren Dienst erweisen. Heute retten sie uns tatsächlich den Tag.

Bereits gegen 17.00 Uhr stehen wir ohne Umwege vor der „Hospedaria Senhora do Carmo“ im Herzen der Altstadt von Viana do Castelo – übrigens ein Tipp von den Mitgliedern der Facebook-Gruppe Jakobsweg Camino Portugues.


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Bevor wir zum Eingang gehen, halten wir in der kleinen Gasse Ausschau nach einem Restaurant für das spätere Abendessen. Gleich schräg gegenüber sehen wir ein Schild an der Hauswand, aber bevor wir es näher betrachten können, hat Andreas Aufmerksamkeit etwas ganz anderes erweckt: ein Friseursalon direkt auf der anderen Straßenseite.

Kurzerhand dreht sie sich um. Wir gehen hinüber und treten in den Salon ein, um nach einem Termin zu fragen. Fünf Augenpaare schauen uns an, als wir versuchen unser Anliegen zu erklären. Jeder spricht hier ausnahmslos nur portugiesisch und so dauert es eine ganze Weile, bis wir uns verständigt haben. Der halbe Salon scheint etwas verwundert, wenn nicht gar amüsiert über unser Auftreten. Liegt das an unserer Erscheinung? Das werden wir später noch erfahren. In 30 Minuten ist es soweit. Dann kann Andreas „Wohlfühlprogramm“ beginnen.

Jetzt checken wir aber erst einmal endlich in der Hospedaria ein. Das alte Gebäude – 400 Jahr soll es bereits zählen – beheimatet im Erdgeschoss eine Art Souvenirladen. Hier werden wir herzlich begrüßt, nicht nur von den beiden Beschäftigten, sondern auch von den anwesenden Kunden. Ja, diese natürliche Freundlichkeit der Portugiesen kann einen immer wieder begeistern. Wir wechseln ein paar Worte darüber, wo wir herkommen und was unser nächstes Ziel ist und werden anschließend zu unserem Zimmer begleitet. Es ist schlicht, aber hübsch eingerichtet und strahlt – vielleicht dem Alter der Gemäuer geschuldet – im positivsten Sinne eine ganz eigene Atmosphäre aus. Hier kann man sich wohlfühlen.

Auf diesem Bild sieht man das Nachtquartier in der Hospedaria Senhora do Carmo, in dem wir bei der Camino Portugues Etappe von Fao nach Viana do Castelo schliefen.
Das Nachtquartier in der Hospedaria Senhora do Carmo.

Während Nico es sich gemütlich macht, startet Andrea zum Friseurbesuch. Haare waschen, föhnen, ein Gläschen Portwein dazu. Saude! ruft es fröhlich und etwas verschmitzt von den anderen belegten Plätzen. Erst jetzt registriert sie, dass die Kundschaft um sie herum ausschließlich männlich ist. Ja, sie ist – wie sie auf Nachfrage erfährt – tatsächlich in einem Herrensalon gelandet. Nun wird einiges klar: die verwunderten Blicke, die kurze Diskussion unter den Beschäftigten bei der Terminvereinbarung, das leise Kichern, als sie auf einem der Stühle Platz nahm…  Auch mal schön, die „Henne im Korb“ zu sein, denkt sie sich und ruft Saude! zurück.

Camino Portugues Etappe 3 von Fao nach Viana do Castelo . Impressionen

Den Abend lassen wir in einem kleinen Restaurant gleich um die Ecke ausklingen. Wir stoßen auf den heutigen Tag an, den „Tag der Entscheidung“. Es ist geschafft! Gestern Abend noch undenkbar, haben wir die knapp 29 Kilometer lange Camino Portugues Etappe in Summe doch relativ unbeschadet zurückgelegt. Vielleicht gewöhnt sich der Körper – so wie es uns das junge Pärchen am Vortag prophezeit hat – in der Tat langsam an die Belastung und wir befinden uns bereits am Wendepunkt.

Zurück in unserem Nachtquartier widmen wir uns voll motiviert noch dem täglichen Check und notieren unsere Learnings:

Der persönliche „Systemcheck“:

  • Andrea: Blasen an den Füßen. Leichte Schmerzen an den Fußgelenken, was wohl den Sandalen zuzuschreiben ist.
  • Nico: Nacken ist verspannt. Blasen keine. Mittlerweile tituliert er sich freudestahlend als das „Wunder vom Camino“ 🙂
  • Beide: Man spürt jede Faser des Körpers, allerdings nicht mehr annähernd so schmerzhaft wie gestern. Mental scheint das schlimmste überstanden. Die gute Laune ist zurückgekehrt.

Die Learnings der dritten Camino Portugues Etappe

  • Das Vorreservieren der Unterkunft ist sinnvoll und wird wann immer möglich beibehalten.
  • Google Maps ist je nach Wegstrecke als „begleitende Maßnahme“ bestens geeignet.
  • Die Wandersandalen verbleiben, obwohl sie mit einem relativ hohen Gewicht zu Buche schlagen,  auf der Packliste.
  • Unbedingt auch weiterhin auf regelmäßige Verschnaufpausen und Kalorienzufuhr achten – auch dann, wenn gefühlsmäßig kein Bedarf besteht! Neue Kräfte werden so frühzeitig mobilisiert, bevor es zu spät ist.

Glücklich und mit dem heute Erreichten mehr als zufrieden fallen uns irgendwann die Augen zu. In Gedanken sind wir schon beim morgigen Tag. Es geht nach Ancora. Ob wir dann wieder an der Küste laufen werden, wie weit es ist…? Egal. Im Augenblick genießen wir bis zum Einschlafen einfach das gute Gefühl, auch bei dieser Camino Portugues Etappe durchgehalten zu haben…

>> Und so geht es weiter: Camino Portugues Etappe 4: Schwer verliebt in Portugal

>> Was bisher geschah: Camino Portugues Etappe 2: Die „Engel vom Camino“

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